Vorsicht vor vagen Formulierungen im Testament! — Anmerkungen zum Beschluss des OLG München vom 22. Mai 2013, AZ: 31 Wx 55/13

Ein Testament kann man nur persönlich er richten (§ 2064 BGB). Deshalb darf man es auch nicht anderen Personen überlassen, zu entscheiden, ob ein Testament gelten soll oder nicht (§ 2065 Abs. 1 BGB). Ebensowenig darf man andere entscheiden lassen, wer etwas erben soll und was er erben soll (§ 2065 Abs. 2 BGB). In ein Testament darf man also beispielsweise nicht schreiben: "Meine Ehefrau soll nach meinem Tod entscheiden, ob und wieviel unsere gemeinsamen Kinder erben." Bei einer solchen Formulierung hilft auch eine Auslegung des Testamentes nicht weiter. Eine klare Erbeinsetzung durch den Verstor"benen persön"lich wird man in diese Formu"lierung nicht hineinlesen können. Mitunter gibt es jedoch Formulierungen in Testamenten, bei denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine Auslegung zu einem klaren Ergebnis führt. Mit einer solchen Formulierung hatte das Oberlandesgericht München zu tun.

Der Verstorbene im Fall des OLG München war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Er hinterließ jedoch eine Lebensgefährtin, vier Brüder und vier Nichten bzw. Neffen. Nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte, hat er einen Neffen mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet, damit dieser seine Angelegenheiten für ihn regeln kann, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Im Jahr 2003 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament in dem er seine Nichten und Neffen zu je 1/4 zu Erben einsetzte und seiner Lebensgefährtin ein Geldvermächtnis zudachte. Im Jahr 2010 errichtete er handschriftlich ein weiteres Testament in dem es hieß: "N. 1 soll € 2000 erhalten. Das S.-Kloster in A. bekommt € 3.000. N. 2 bekommt die Fotosachen und meinem Anhänger. N. 3 soll das Geschirr und die Betonmaschine bekomen. N. 4 bekommt meine Schie­aus­rüstung. Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen, wer sich bis zu meinem Tode um mich kümert. Sollte das nicht der Fall sein soll alles das S.-Kloster erhalten. Ort, Datum, Unterschrift"

Der mit der Vorsorgevollmacht ausgestattete Neffe und die Lebensgefährtin beantragten aufgrund dieses Testamentes einen Erbschein zu je 1/2 . Die beiden stritten darum, wer sich in welchem Umfang um den Erblasser „gekümmert“ hatte. Das zuerst mit dem Fall befasste Gericht stellte fest, dass die beiden zu je 1/2 Erben geworden waren, da sie gleichermaßen das Kriterium des Erblassers erfüllt hätten. Gegen diese Entscheidung legte der Neffe Beschwerde ein, über die das OLG München zu befinden hatte. Er war der Ansicht, dass die Lebensgefährtin nicht Erbin geworden war.

Das OLG München bestätigte die Auffassung der ersten Instanz, dass die Formulierung, "Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen, wer" eine Erbeinsetzung ist, da das Haus der wesentliche Vermögensgegenstand des Nachlasses sei. Alle übrigen Gegenstände und das Geldvermögen fielen daneben nicht ins Gewicht. Die Bestimmungen darüber sind lediglich Vermächt­nisse.

Der Erblasser hatte jedoch nicht genau bestimmt, welche Person das Haus bekommen sollte — einen Namen nannte er im Gegensatz zu den Bestimmungen über die Zuteilung der anderen Gegenstände nicht. Das OLG München war der Ansicht, dass man auch mittels Auslegung nicht genau bestimmen könne, wer Erbe des Hauses geworden war. Es sei nämlich nicht klar, welche Art von "Kümmern" der Erblasser gemeint habe. Mit dem Begriff könne sowohl die körper­liche Pflege als auch Hilfe bei der Haus­arbeit, seelische Stütze, die Erledigung finanzieller Angelege­nheiten oder nur allgemein ein "Schenken von Aufmerksamkeit" gemeint sein. Dies verstoße gegen § 2065 Abs. 2 BGB, der besagt, dass man die Bestimmung, wer wie viel erben soll nicht einem anderen über­lassen darf. Die hier gewählte Formu­lierung sei so vage, dass es von den Vorstellungen desjenigen, der das Testament auslegt abhänge, wer das Kriterium des SichKümmerns erfüllt habe. Der Erblasser habe daher nicht selbst bestimmt, wer sein Erbe werden soll, so dass das Testament aus dem Jahr 2010 nicht ist. Demzufolge gelte das Testament aus dem Jahr 2003, so dass die vier Nichten und Neffen zu je 1/4 erben und die Lebensgefährtin ein Geldvermächtnis bekommt.

Die Entscheidung des OLG München macht deutlich, wie wichtig es ist, ein Testament so konkret wie möglich zu formulieren. Vage For­mulie­rungen wie hier in diesem Fall, öffnen Erb­streitigkeiten Tür und Tor. Es ist deshalb richtig, dass das OLG eine Grenze gezogen hat und die Formu­lierung als unzureichend eingestuft hat. Zwar sollte nach Möglichkeit ein Testament ausgelegt werden und so der Wille des Verstorbenen möglichst genau ermittelt werden. Schließlich errichtet man ein Testament, damit der eigene Wille nach dem Tod auch wirklich Geltung erhält. Allerdings darf man die Möglichkeit der Auslegung auch nicht über­strapa­zieren, sonst besteht die Gefahr, dass man gerade nicht den Willen des Erb­lassers "trifft". In einem solchen Fall ist es daher wohl das kleinere Übel, wenn das Testa­ment nichtig ist und ein vorheriges wieder auflebt oder die gesetzliche Erbfolge eintritt. Ansonsten würde möglicher­weise eine Erbfolge eintreten, die der Erblasser unter keinen Umständen gewollt hat.

Aufgepasst also bei der Formulierung eines Testaments! Die einfachste Vari­ante ist sicherlich, genau bezeichneten Personen einen prozentualen Anteil am Gesamtnachlass zu hinterlassen ("Meine Kinder A,B und C erben zu je 1/3."). Will man die Erbeinsetzung — wie der Erblasser in dem hier vorgestellten Fall — an Bedin­gungen knüpfen, sollte man zunächst konkret überlegen, welche Vorstellung man selbst von der Bedingung hat. Wann ist sie erfüllt, wer wird sie mutmaßlich erfüllen und wodurch? Sodann sollte man überlegen, ob die Formulierung, die man ge­wählt hat, bei anderen Men­schen dieselbe Vorstellung auslöst. Je konkreter die Bedingung umschrieben ist, umso besser. Ziehen Sie im Zweifel Vertrauenspersonen oder Juristen zu Rate.